Qualifikationsmeisterschaft Landau 2016

Landau-Ebenberg, Deutschland,   20. August 2016 – 27. August 2016

Über das Abenteuer auf dem Bröckelacker

„What a great time to be alive“, denkt sich der Rückholer der heutigen Generation, wenn er sein Mobiltelefon öffnet und die Außenlandeposition seines Piloten unkompliziert per Nachricht erhält. Karl-Heinz Schick, den ich auf dieser Tour kennenlerne, ist dieser Fortschritt noch nicht ganz geheuer. „Gut, dass du da bist. Dann kann ich fahren und du navigieren“, sagt er, als er den Zündschlüssel klackernd umdreht. Während der Wagen mitsamt Segelflugzeuganhänger rumpelnd vom Ebenberg rollt, rutsche ich tiefer in meinen Sitz und mache es mir gemütlich.

Uns steht eine einstündige Fahrt bevor. Sohnemann Marc Schick entspannt sich derweil mit seinem Ventus 2 (DR) auf einem Acker irgendwo östlich von Kraichtal. Der „Acker ist krumm und schief“, schreibt er mit zwinkerndem Smiley. Die Fahrt ist lang; wir kommen ins Gespräch.

Karl-Heinz ist seit 1978 dabei. Er begann das Fliegen, als Begriffe wie „PPL(C)“, „PPL(B)“ und „PPL(A)“ zum alltäglichen Vokabular des Piloten gehörten. In exakt dieser Reihenfolge absolvierte Karl-Heinz auch seine fliegerische Karriere. Er flog kleinere Wettbewerbe. Später setzte er auch hin und wieder Fallschirmspringer ab, bis eines Tages einer der kollegialen Springer vergaß, nach erfolgter Betankung den Deckel richtig draufzuschrauben. Der anschließende, unumgängliche Segelflug mit der Cessna 182 endete unspektakulär auf dem Flugplatz Speyer. Danach war ihm nicht mehr so nach Springerabsetzen. Karl-Heinz erzählt die Geschichte so, als berichte er von seinem letzten Spaziergang im Pfälzer-Wald: Unspektakulär. Am Ende gab’s noch „a Bierle“. Behutsam steuert er das Hängergespann durch die Dörfer und um enge Kurven und lässt - vorausschauend wie er fährt - entgegenkommende LKW-Fahrer durch, die sich freundlich bedanken.

Plötzlich biegt von rechts ein anderes Fahrzeug mit Segelfluganhänger in unsere Spur. Karl-Heinz erinnert sich, dass Marc nicht alleine auf dem Acker sitzt. Robin Sittmann ist wenige Minuten nach Marc’s Landung mit seiner RA auf dem gleichem Acker gelandet, um die Wartezeit in gemütlicher Zweisamkeit zu verkürzen. Unsere Rückholtour entwickelt sich zur Kolonnenfahrt. Von den Dorfbewohnern spüren wir leicht verstörte Blicke im Nacken. Ich rutsche noch tiefer in meinen Sitz.

 

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Robin und Marc warten bereits an der Straße und lotsen die Hängerkolonne auf den Acker. Das Abenteuer beginnt. Karl-Heinz bleibt bereits auf dem ersten Meter stecken. Ich steige aus. Marc und ich legen Hand an. Es geht ein bisschen hin und her, die Kupplung protestiert ein wenig, doch schlussendlich hat der Acker verloren und Karl-Heinz rollt uns samt Hänger in Richtung Flugzeug davon. Marc und ich folgen im Laufschritt.

 

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„Krumm und schief“ ist eine glatte Untertreibung dessen, was uns erwartet. Hinter dem völlig unversehrten Flugzeug geht der Acker steiler abwärts. Dahinter geht es mindestens genauso steil wieder nach oben. Wie Marc dort gelandet ist, kann er sich auch nicht so richtig erklären. „Von oben sah der so schön flach aus. Erst im Anflug dachte ich 'Oh…'“. Hangaufwärts sei er recht sanft aufgesetzt, auch wenn der Flieger beim Ausrollen mehrfach fast auf die Nase gegangen ist. Währenddessen kommt Karl-Heinz in einer Staubwolke vor dem Flugzeug zum Stehen. Und wir hechelnd hinterher.

 

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Noch bevor der schief stehende Hänger geöffnet wird, ploppen bereits die ersten Biere auf. Wir stoßen auf eine sichere Landung an. Das Abrüsten selbst läuft routiniert ab. Man hilft sich gegenseitig auf dem Acker und packt beim Mitstreiter hilfsbereit an. In weniger als 30 Minuten sind beide Flugzeuge in ihren Körbchen und sicher verstaut. Die Rückholmannschaft der RA hat den Acker bereits polternd evakuiert, als Karl-Heinz erneut stecken bleibt. Wehleidig opfere ich den letzten Schluck meines Rückholerbieres dem Ackerboden, denn schnell stelle ich fest, dass ich beide Hände brauchen werde. Jetzt hat der Wagen mehr zu kämpfen. Marc und ich fangen an zu schnaufen, und recht bald meldet sich auch wieder die Kupplung zu Wort. Instinktiv will ich Mund&Nase vor dem Gestank schützen, aber das geht einfach nicht. Diese Hände werden noch gebraucht. Die Mannschaft der RA, die freundlicherweise am Ackerrand auf uns gewartet hat, stürmt gerade aus ihrem Auto raus und in unsere Richtung, als Karl-Heinz es endlich schafft und das Gespann einen motivierten Satz nach vorne macht. Aus Marc entfährt ein Jubelruf; ich kriege weiterhin nichts raus außer Hechelei. Karl-Heinz steuert das Fahrzeug sicher vom Acker, so wie ein geübter Rodeo-Reiter sein bockendes Pferd bezwingt. Währenddessen wird es immer dunkler und wir sind froh, das Abenteuer rechtzeitig vor Eintreffen der Dunkelheit hinter uns gebracht zu haben.

Auf dem Heimweg will ich mehr über Marc erfahren. Er selbst ist über seinen Vater zum Flugplatz gekommen und verbindet seine Kindheit weitestgehend damit. Beide sind aktive Mitglieder in ihrem Verein in Lachen-Speyerdorf. Auch Marc fing mit Segelflug an, hing die Motorseglerlizenz dran und flog sich anschließend bis zum PPL(A) hoch. Dennoch verlor er nicht im Geringsten die Faszination für den Segelflug. Seinen ersten Wettbewerb bestritt Marc bereits recht früh. „Das muss 1995 gewesen sein; ein Doppelsitzerwettbewerb. Damals flogen wir noch mit ASK21 und so…“, versucht er sich zu erinnern. Der nächste Wettbewerb folgte 2000 in Mainz. Marc beginnt aufzuzählen, wo er zwischen 2000 und 2016 überall mitgeflogen ist. Ich verliere prompt die Übersicht. Anfangs waren es noch Juniorenmeisterschaften, später dann Qualifikationsmeisterschaften und hier und da sogar auch Deutsche Meisterschaften. Erst mit Mitte 20 fing Marc wirklich an, bei Meisterschaften teilzunehmen. „Einige fliegen ja bereits deutlich früher. Zum Teil lange bevor sie Ihren Führerschein haben.“

Marc lässt einen leisen Fluch von der Rückbank ertönen. „Mein Anbieter ist hier ja wirklich eine internettechnische Diaspora…“. Bis eben sei er noch Zweitplatzierter gewesen, trotz nicht erfüllter Aufgabe. „Aber das wird sich bald ändern“, sagt er schmunzelnd, denn nicht jeder hatte auf seinem selbst erwählten Acker die Möglichkeit, seinen Flug direkt an Chefauswerter Andreas Maurer zu schicken.

Auf die Frage, wie er den Wettbewerb im Allgemeinen einschätzt, findet er nur lobende Worte für die Wettbewerbsleitung. Es sei allen klar, wie schwierig die Bedingungen sind. „Bernd lag immer richtig“, betont er mehrfach. Marc hofft, dass wir in der nächsten Zeit solide Wertungstage zusammenbekommen werden.

Zuletzt lässt Marc den Tag revue passieren. Wir stellen fest, dass er für gerade mal vier Stunden Flugzeit insgesamt um die 13 Stunden beschäftigt war. Ich frage ihn, was einen angesichts dieses Aufwandes am Segelflug hält. Marc zögert kurz und sagt dann: „Ehrlich gesagt, kann das keiner so richtig sagen. Frag mal einen Jogger, warum er gerne joggt…“ Daraufhin denke ich wieder an vorhin, als Marc und ich zwei Mal schnaufend Karl-Heinz hinterherliefen. Und sage zu mir selbst: „Das würde ich auch gerne mal wissen…“

 

 

-ts

 

Fotos: Marc Schick, Tonio Stührenberg
Geschrieben von: Tonio Stührenberg am 24. August 2016 um 14:13.

Letzte Sieger

1. Felix Maier 61,00 km/h
2. Kalli Boller-Rocholl 59,78 km/h
3. Holger Spangenberg 57,90 km/h
Aktualisiert: 27.08.16, 22:12
1. Tilo Holighaus 69,54 km/h
2. Tobias Meiler 68,48 km/h
2. Florian Theisinger 68,47 km/h
4. Hans-Christian Früh 68,07 km/h
Aktualisiert: 27.08.16, 22:23

Letzte Aufgabe

Wertungstag 5, 27.08.2016
Aufgabengröße: 138,98 km
Aktualisiert: 27.08.16, 21:28
Wertungstag 5, 27.08.2016
Aufgabengröße: 84,35 km  /  164,95 km  (131,51 km)
Aufgabenzeit: 1:30:00
Aktualisiert: 27.08.16, 21:30